Bildungsdiskussion: Qualitätskriterien für das Lernen auf dem Bauernhof

Jugendliche haben keinen Bezug mehr zum Ursprung ihrer Nahrungsmittel. Ihre Bilder von Landwirtschaft und ländlichem Raum sind überwiegend durch die Medien geprägt und nicht mit eigenen Erlebnissen oder Erkenntnissen verbunden. Lernen auf dem Bauernhof ist eine Chance, der zunehmenden Entfremdung vieler junger Menschen von der Produktion ihrer Lebensmittel entgegenzuwirken.

Der Lernort Bauernhof bedeutet nicht die Verlagerung des Schulunterrichts auf den Bauernhof, sondern er bietet vielmehr einmalige Lern-, Erfahrungs- und Erlebnismöglichkeiten, die immer mehr Kindern und Jugendlichen eröffnet werden sollten. Diese Kernforderung formulierte Anfang Februar die Bundesarbeitsgemeinschaft Lernort Bauernhof (BAGLoB) auf ihrer Bundestagung, die in Zusammenarbeit mit der Evangelischen Landjugendakademie Altenkirchen und der Bundesarbeitsgemeinschaft der Evangelischen Jugend durchgeführt wurde. Exkursionen zu innovativen Projekten auf Höfen sowie zahlreiche Workshops, die handlungsorientierte Methoden des Lehrens und Lernens auf Bauernhöfen vorstellten, prägten das Programm. Die Arbeitsgemeinschaft ist der Dachverband der Lern- und Schulbauernhofbewegung in Deutschland. Sie umfasst sowohl konventionelle wie ökologische Betriebe. Wichtigstes Ziel ist es, Kindern und Jugendlichen Einblicke in landwirtschaftliche, ökologische und soziale Zusammenhänge zu ermöglichen.

Lernen auf dem Bauernhof als Beitrag zur Bildung für nachhaltige Entwicklung

Lernen auf dem Bauernhof fördert Gestaltungskompetenzen im Rahmen einer Bildung für nachhaltige Entwicklung - dies betonten die anwesenden Vertreter aus Landwirtschafts- und Kultusministerien auf der Tagung. Wenn die schulische Bildung am Konzept der Nachhaltigkeit orientiert werden soll, dann kann auf einen solchen Lernort nicht verzichtet werden. Im Lernfeld Landwirtschaft können sowohl Antworten auf grundlegende Fragen des Mensch-Natur-Verhältnisses gefunden als auch ökonomische, ökologische und globale Zusammenhänge demonstriert und erfahrbar gestaltet werden. Damit erfüllt der Lernort Bauernhof die Anforderungen der UN-Dekade "Bildung für nachhaltige Entwicklung", indem er den Menschen die Chance bietet, sich Wissen und Werte anzueignen und Lebensstile kennen zu lernen, die für eine lebenswerte Zukunft erforderlich sind.

Nachfrage übersteigt Angebot

Die Forschung zeigt, dass die Stärke des Lernortes Bauernhof in der großen Vielfalt seiner Angebote liegt. Die Bandbreite reicht dabei von zweistündigen Hofführungen auf Vollerwerbsbetrieben bis zu zweiwöchigen Aufenthalten auf Höfen, die sich als pädagogische Einrichtungen verstehen. Da die Schul- und Lernbauernhöfe in Deutschland bereits auf Jahre ausgebucht sind, wurde auf der Bundesversammlung die Notwendigkeit betont, dass neue Betriebe gewonnen werden und sie die nötige Hilfe, finanzielle Unterstützung sowie Weiterqualifizierung erhalten müssen. Die Bundestagung gab hierzu viele Impulse und konkrete Angebote. Erstmals stellten die drei Organisationen information.medien.agrar, die Centrale Marketing-Gesellschaft der deutschen Agrarwirtschaft mbH und der Informationsdienst Verbraucherschutz Ernährung Landwirtschaft gemeinsam ihre Arbeitshilfen vor. Mit ihnen wurden eine bessere Absprache und Koordination bei der Erstellung von Materialien vereinbart.

Qualitätskriterien für die Bildungsarbeit

Um in die Fülle der Angebote zum Lernen auf dem Bauernhof mehr Transparenz zu bringen, stellte die Bundesarbeitsgemeinschaft auf der Tagung Qualitätskriterien vor. Sie betreffen das pädagogische Konzept, die Ausbildung der MitarbeiterInnen, die landwirtschaftliche Bewirtschaftung der Betriebe, die Evaluation der Maßnahmen und natürlich auch die Sicherheit auf den Höfen. Die Qualitätskriterien gelten sowohl für Bauernhöfe, die Führungen oder pädagogische Projekte anbieten als auch für solche, die Schulklassen, Kindergärten oder Jugendgruppen für mehrere Tage beherbergen und in der Landwirtschaft mitarbeiten lassen. Für die Gruppen, die auf dem Bauernhof lernen möchten, bieten die Kriterien eine Grundlage zur Auswahl des für sie geeigneten Angebots.

Regionale und europäische Netzwerke

In Deutschland und in Europa entstehen immer mehr regionale Netzwerke, beispielsweise in Bayern, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Schleswig-Holstein, Hamburg und Baden-Württemberg. Ihre Ziele sind Erfahrungsaustausch und finanzielle Absicherung der Projekte. In diesem Jahr nahmen auch Personen aus Italien an der Bundestagung teil. Lernen auf dem Bauernhof wird immer mehr zu einer europäischen Bewegung, die gemeinsame Ziele verfolgt und zu einer Bildung für nachhaltige Entwicklung beiträgt. Dabei hat sich die seit 1992 jährlich stattfindende Bundestagung "Lernort Bauernhof" in Altenkirchen als Treffpunkt der Lern- und Schulbauernhöfe und der interessierten Öffentlichkeit etabliert.

[Hans-Heiner Heuser, Jürgen Forkel-Schubert]

Kontakt: Evangelische Landjugendakademie Altenkirchen, Hans-Heiner Heuser, E-Mail heuser@lja.de

Weitere Termine:

07.-09.09.2007: Bundestreffen der Bauernhofkindergärten oder Kindergärten auf dem Bauernhof

01.-03.02.2008: Bundestreffen zum Thema "Schule und

Landwirtschaft als Partner"