Gesamtkonzept Umweltbildung für Deutschland in Planung

Die Geburtsstunde der Umweltbildung schlug 1971, als Hans-Dietrich Genscher im Zusammenhang mit der Umwelt(politik) forderte, daß auch "der Bildungsbereich seinen Beitrag zum Umweltschutz leisten müsse...". Seitdem gab u.a. es viele Unesco-Projekte und Materialien, verabschiedete die KMK 1980 ihre Empfehlungen, daß Umweltbildung ein fächerübergreifendes Prinzip sei, wurde 1986 vom BMBW der Kongreß "Zukunftsaufgabe Umweltbildung" durchgeführt. Neuerdings forderten der Sachverständigenrat für Umweltfragen (vor allem in seinem Gutachten 1994) und der Wissenschaftliche Beirat globale Umweltveränderung (1995) den verstärkten Einbezug der Umweltbildung zur Etablierung des Leitbildes einer "nachhaltigen Entwicklung (sustainable development)".

Ob Umweltbildung dies leisten kann bleibt offen, denn neueste Umfragen zeigen, daß nur 11% der Bevölkerung den Begriff "Nachhaltigkeit" überhaupt kennen. Weder der Folgeprozeß der Konferenz in Rio noch die Studie "Nachhaltiges Deutschland" von BUND/Misereor finden heute ein breites Echo in der Öffentlichkeit. Am 23.6.1994 beschloß der Bundestag, daß die Bundesregierung ein Gesamtkonzept zur Umweltbildung vorzulegen habe. Eine große Anfrage der SPD im Sommer dieses Jahres weißt auf dieses Defizit hin. Das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung, Technologie (BMBF) muß nun bis zum Mai 1997 diese Anfrage beantworten. Gleichzeitig werden die wichtigsten Erkenntnisse zu einem "Gesamtkonzept Umweltbildung" (Arbeitstitel) zusammengefaßt. Das BMBF hat im Oktober dieses Jahres beschlossen, für das Ressort Umweltbildung nachhaltige Entwicklung als Arbeitsgrundlage festzuschreiben (ohne jedoch nennenswerte Mittel dafür bereitzustellen - im Vergleich dazu erhält das Forschungsressort ca. 150 Mio DM/Jahr). Das "Gesamtkonzept Umweltbildung" wird auf die Agenda 21 sowie entsprechende Gutachten der Bundesregierung aufbauen und einen Überblick über laufende und durchgeführte Forschungsvorhaben des BMBF bieten. Es soll in die BLK-Kommission eingebracht, aber zugleich auch als Handbuch mit Adressen, Projekten, Ergebnissen usw. veröffentlicht werden, damit es als Arbeitsgrundlage für die UmweltbildnerInnen dienen kann. Geplant sind u.a. folgende Inhalte: die Studie "Wissen und Handeln" (3 Psychologen sollen 3 Jahre lang ca. 100 Personen im Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin über ihr Verhalten auf die stattfindenden Änderungen befragen), die Studie "Wirksamkeit schulischer Umwelterziehung" (Auswertung von über 50 Modellversuchen in Schulen und Umweltzentren, soeben gestartet), das Projekt "Globales Lernen" (ein Vorhaben des Vereins für Friedenspädagogik Tübingen zum Einbezug globaler Aspekte in die Umweltbildung), das Gutachten "Dimensionen nachhaltiger Entwicklung" (fast fertig, es stellt nicht Wald oder Natur, sondern die Gesellschaft in den Mittelpunkt des Interesses), das Gutachten "Erfahrungen im Ausland" (in dem 40 deutsche Botschaften über Vorhaben zur Nachhaltigkeit im Ausland berichten), die Studie "Umweltbildung als Innovation" (Auswertung der durchgeführten BLK-Modelle und anderer Vorhaben, erscheint demnächst im Springer- Verlag), Berichte zu den laufenden BLK-Modellen ("Lebensraum Erde" in Bremen und "Schulstelle 3.Welt" im Landesinstitut Soest/NRW) sowie eine Zusammenfassung der Arbeit der "Clearingstelle Umweltbildung" des DIE. Das "Gesamtkonzept Umweltbildung" soll ähnlich wie die Orientierungspläne (z.B. für Medien und Gesundheit) einen Referenzrahmen bieten, um das neue Paradigma "Nachhaltigkeit" durchzusetzen. Es soll Defizite aufzeigen und entsprechende Aktivitäten legitimieren. Hauptzielgruppen sind Die Bildungsverwaltungen, LändervertreterInnen, Hochschulen, aber auch PädagogInnen. Das Papier zielt langfristig darauf ab, eine neue Allgemeinbildung zu etablieren, die vom Nachhaltigkeitsprinzip geleitet wird. Eine Lösung zukünftiger Probleme wird nicht mehr in Großtechnologien, sondern eher in einer "kulturellen Wende" gesehen. Entsprechende Bildungsziele für Nachhaltigkeit müssen für alle Bildungsinstitutionen noch dekliniert werden. Statt bloße Wissensvermittlung sollen dabei reale Lebenssituationen (Haushalt, Arbeitsplatz, Verkehr, Freizeit usw.) im Vordergrund stehen. Hierzu sind alle Beteiligten besser als bisher zu qualifizieren. Im geplanten neuen Forschungsprogramm des BMBF werden bei allen neuen Vorhaben auch Mittel für begleitende Bildungsprojekte berücksichtigt. Wesentliche Ziele werden hierbei nicht nur Maßnahmen zur Innovation und Vernetzung (z.B. Schaffung einer besseren Infrastruktur für Umweltbildung) sein, sondern auch die Etablierung einer ausreichenden Umweltbildungsforschung.

(Der Artikel beruht auf einem Vortrag von Dr. Hans Herbert Wilhelmi / BMBF anläßlich der DGU-Tagung "Nachhaltige Entwicklung - neue Perspektiven für die Umwelterziehung" am 26.10.96 in Schwerin)