Jahresgutachten 1995: Umweltbildung als Weg zur Lösung globaler Umweltprobleme

Nur blaß und unscharf sind die Ergebnisse der Berliner Klimakonferenz noch im öffentlichen Bewußtsein vorhanden - war da nicht irgend etwas? Der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) stellt in seinem Jahresgutachten 1995 selbstkritisch und ein wenig deprimiert auf die Konferenz bezugnehmend fest, daß "die Haupttrends globaler Probleme, die der Beirat bereits in seinem Jahresgutachten 1993 hervorhob (die Zunahme der Bevölkerung der Erde, die langfristig veränderte Zusammensetzung der Atmosphäre, der Verlust an biologischer Vielfalt, die Degradation und der Verlust von Böden und die Verknappung und Verschmutzung des Wassers) ungebrochen sind; im Gegenteil: Der Problemdruck nimmt zu." Gleichzeitig geht der Beirat davon aus, "daß bei entsprechendem Willen und Handeln der Beteiligten die anstehenden Probleme im Prinzip lösbar" sind. "Ob diese Wege auch beschritten werden, ist aber offen, denn es bedarf dazu erheblicher Umorientierung".

Der Beirat empfiehlt der Bundesregierung zwei Wege parallel zu gehen: erstens die gesellschaftlichen Voraussetzungen zur Lösung globaler Umweltprobleme zu verbessern und zweitens internationale Vereinbarungen (z.B. Klimarahmenkonvention, Montrealer Protokoll, Seerechtskonvention, Wüstenkonvention, Biodiversitätskonvention, Schutz der Wälder und das GATT/WTO-Regime) zu formulieren, zu verschärfen und durchzusetzen. Für alle UmweltpädagogInnen sollte dieses Jahresgutachten 1995 zur "Bibel" werden, denn es skizziert die Leitlinien einer verantwortungsvollen und zukunftsorientierten Umweltbildung. "Globale Umweltpolitik wird ihre Aufgaben nur erfüllen können, wenn hinter den politischen Entscheidungsträgern ... eine Bevölkerung steht, deren Umweltbewußtsein und Bereitschaft zu umweltgerechtem Verhalten sie auch die Lösung der globalen Umweltprobleme einfordern läßt." Das soll wohl heißen, daß die Entscheidungsträger Bürger brauchen, die ihre Entscheidungen mittragen - oder heißt es, daß sie nur bei Druck von unten entsprechende Entscheidungen treffen?!

Der Beirat weiter: "Erst wenn die Notwendigkeit einer nachhaltigen Entwicklung (sustainable development) im Bewußtsein der Menschen in ihren verschiedenen Rollen und Positionen in der Gesellschaft ihren festen Platz hat, können auch Strategien der Verhaltensänderung wirksam werden. Gefordert sind daher weltweit umfassende Maßnahmen zur Umweltbildung." Eine Stärkung des Umweltbewußtseins der Bevölkerung und Maßnahmen zur Umweltbildung sind die Voraussetzungen zur Lösung globaler Umweltprobleme. Eine erfolgreiche Umweltbildung sollte vor allem das Lernen aus der unmittelbaren und vermittelten Erfahrung in alltäglichen Lebenszusammenhängen (Situationsorientierung) im Zusammenhang mit dem eigenen Handeln (Handlungsorientierung) sowie die Einbindung der zu vermittelnden Inhalte in den gesellschaftlich-politischen Kontext (Problemorientierung) ermöglichen. Umweltbildung muß trotz vieler politischer Absichtserklärungen, Initiativen und Programme noch als unterentwickelt bezeichnet werden. Im industriellen Norden dominiert eine lokale, regionale und nationale Sichtweise, während in den Entwicklungsländern wegen der erheblichen strukturelle Defizite der Bildungssysteme die Umweltbildung nur schwach ausgeprägt ist. Der Beirat empfiehlt deshalb u.a. eine Stärkung der Umweltbildung im Rahmen der Gesamtkonzeption staatlicher Umweltpolitik, die Förderung und Vernetzung der Bildungsmaßnahmen von staatlichen und nichtstaatlichen Trägern sowie die systematische Analyse und Bewertung von Erkenntnissen über Umweltbildungsmaßnahmen. Interessant ist auch das Kapitel über die Aktivitäten zu globalen Themen in der Umweltbildung in Deutschland. Während im schulischen Bereich das Thema "Umwelt und Entwicklung" noch immer eine nachgeordnete Rolle spielt und die Wirksamkeit der Umweltbildung im Hinblick auf umweltverträgliches Handeln fraglich bleibt, haben sich im außerschulischen Bereich vor allem bei den NRO (Nichtregierungsorganisationen) eine Reihe allerdings wenig aufeinander abgestimmter Initiativen etabliert. Genannt werden u.a. die Ozon-Kampagne des WWF und das Greenteam-Projekt von Greenpeace. Für die ANU, die im Bericht nicht aufgeführt ist, stellt sich hier die Aufgabe, die in den Umweltzentren vorhandenen Ansätze herauszufiltern, zu entwickeln und sich dieser gesellschaftlichen Aufgabe zu stellen.

Literatur: "Welt im Wandel: Wege zur Lösung globaler Umweltprobleme", Jahresgutachten 1995 des Wissenschaftlichen Beirates der Bundesregierung, Springer Verlag, Berlin, 1996, DM 78,-